Böses Erwachen

Eines Tages erwacht man einmal mehr verkatert von zu vielen Caipirinhas und neben einem unbekannten Mann und fragt sich, während man so leise wie möglich das Weite sucht, wie lange das noch so weiter gehen soll. Wie lange soll man noch die Nächte durchfeiern und irgend welche One Night Stands aufreissen, um die Leere in seinem Leben, die nicht einmal Katz und Hund ausfüllen, zu überspielen? Auf dem Nach-Hause-Weg von der fremden Wohnung erhascht man im Morgengrauen einen Blick seines Spiegelbildes in einem Schaufenster und realisiert, dass man beim besten Willen nicht mehr mit den 20 jährigen Küken mit schlanken Beinen und flachem Bauch, die ihren Champagner in den Trendbars von Zürich schlürfen, mithalten kann. Bum – k.o. geschlagen von der Realität. 35, Single und kein vernünftiger Lebensentwurf.

Einige Stunden später und ein paar Aspirin intus schwelge ich in der Badewanne in Erinnerungen, als ich noch jünger, attraktiver und faltenlos war. Damals dachte ich nur an Party und Sex, also an Männer, die mir die Flügel meiner Freiheit nicht stutzen würden – One Night Stands, Affären, Kurzzeitbeziehungen. Das Leben war voller Tanzmusik, Cocktails und Verehrer, Einsamkeit gab es da nicht. Heute sehne ich mich nach Geborgenheit, Zweisamkeit und Beständigkeit, hingegen habe ich den idealen Zeitpunkt für diesen Lebenswandel verpasst. Ein Blick in den Spiegel bestätigt meine Befürchtungen: Das Gesicht ist nicht mehr so glatt wie früher und an den Hüften haben sich jede Menge Schokolade und andere Leckereien breit gemacht. Den ganzen Tag in High Heels herumzustolzieren, das ist auch Geschichte. Heute schwellen mir die Füsse an und die schleichende Arthrose irgendwo zwischen den Mittelfussknochen und dem Sprunggelenk bringt mich fast um.

Doch damit nicht genug. Die Abende verbringe ich entweder allein, umgeben von Katz und Hund als Ersatz für die Liebe und Geborgenheit eines Mannes, oder in zu knappe Kleider gezwängt in einem Klub, um mir meine Seifenblase der Jugend nicht platzen zu lassen. Gefangen in der Einsamkeit dieser Abende dämmert mir, dass es wohl an der Zeit ist, mit dem leichtsinnigeren Jahrzehnt meiner Twentys abzuschliessen und die Mid-Thirtys aktiv zu gestalten. Es ist an der Zeit herauszufinden, was ich vom Leben erwarte, welche Ziele ich verfolgen möchte und herauszufinden, was für mich Glück bedeutet.

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